Kunst am Hochturm Rottweil

Eva Schmeckenbecher – Geister und Werkzeuge. Kunst am Hochturm Rottweil

Der Rottweiler Hochturm – einst Ort der Inhaftierung vermeintlicher Hexen – wird zum Schauplatz einer künstlerischen Intervention: Die Stuttgarter Künstlerin Eva Schmeckenbecher, Artist-in-Residence der Kunststiftung Erich Hauser 2025, zeigt dort eine großformatige Installation, die den Ort der Hexenverfolgung in Rottweil ins Bewusstsein ruft.

Ausgangspunkt des Projekts war die Ausstellung GEISTER UND WERKZEUGE, die im Sommer 2025 in der Kunststiftung Erich Hauser gezeigt wurde. Aus ihr heraus entstand die Idee, das Thema in den öffentlichen Raum zu erweitern und den Hochturm selbst zum Träger dieser künstlerischen Auseinandersetzung zu machen.

Ein Projekt der Kunststiftung Erich Hauser und der Stadt Rottweil, unterstützt von der Bacchus-Vintothek, Rottweil. Die Residenz, in deren Rahmen die gezeigte Arbeit entstand, wurde von der SV SparkassenVersicherung gefördert.

ÜBER DIE AUSSTELLUNG GEISTER UND WERKZEUGE (27. Juli – 7. September 2025)

Zum Abschluss ihres zweimonatigen Residenzstipendiums präsentierte Eva Schmeckenbecher in der Werkstatthalle der Kunststiftung Erich Hauser in Rottweil die Ausstellung GEISTER UND WERKZEUGE.

Die Installation umfasste fünf Kabinen mit Stop-Motion-Filmen, Werkbänke mit Druckstöcken, Monitore, Interviews sowie eine großformatige LKW-Plane, die nun am Hochturm angebracht ist. Die Filme entstanden an ehemaligen Hinrichtungsstätten von Opfern der Hexenverfolgung – in Nürnberg, Trondheim, Vardø, Lüneburg und Rottweil. Aus einzelnen Filmstandbildern fertigte Schmeckenbecher Fotoabzüge, bearbeitete sie skulptural und setzte sie als Druckstöcke ein.

Die LKW-Plane zeigt einen dieser Drucke – den des vermeintlichen Hinrichtungsortes in Rottweil – und verknüpft so die Werkstattarbeit mit dem Stadtraum. Indem der Hochturm selbst zum Bildträger wird, entsteht eine direkte Verbindung zwischen Ort und Darstellung: Vergangenheit, Erinnerung und Gegenwart überlagern sich und machen historische Gewalt, strukturelle Macht und mediale Sichtbarkeit öffentlich erfahrbar.

Hexe, zu kluge Frau oder armer Teufel?
Rottweil zwischen Angst, Aberglaube und Macht: Fast 300 Menschen fielen hier den Hexenprozessen der Frühen Neuzeit zum Opfer. Ein Beitrag von Lena Kunz, Stadtarchiv Rottweil.

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KUNST UND GEGENWART

Eva Schmeckenbechers Arbeit macht sichtbar, wie sich Muster von Stigmatisierung und Gewalt über Jahrhunderte fortsetzen. Damals traf der Hexereiverdacht vor allem Frauen, die aus gesellschaftlichen Normen fielen, heute zeigen sich ähnliche Mechanismen in sozialer Ausgrenzung, digitalem Mobbing oder in der medialen Darstellung von Frauen und Minderheiten. So verbindet Schmeckenbecher historische Gewalt mit aktuellen Fragen nach Macht, Sichtbarkeit und Verantwortung:

Am Thema Hexenverfolgung bewegt mich die Frage, inwiefern die Vergangenheit in die Gegenwart hineinwirkt und wie ein Bewusstsein dafür geschaffen werden kann, wo und wie sich heute vergleichbare Mechanismen zeigen – von sozialer Ausgrenzung und Mobbing bis hin zu Femiziden. Damals wie heute spielen die Medien dabei eine große Rolle – einst der Buchdruck, heute Social Media. In meiner Arbeit steht besonders das Medium Fotografie als Material und Thema im Fokus.

ÜBER DIE KÜNSTLERIN

Eva Schmeckenbecher arbeitet interdisziplinär an der Schnittstelle von Fotografie, Skulptur und Video. Ihre Arbeiten transformieren Fotoabzüge und setzen Bilder in Bewegung, wobei die Grenzen zwischen Bild, Objekt und Raum verschwimmen. Sie studierte Malerei und Kunsterziehung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und vertiefte später ihre Praxis im intermedialen Gestalten und in der Architektur.

ÜBER DIE RESIDENZ DER KUNSTSTIFTUNG ERICH HAUSER

Die Residenz der Kunststiftung Erich Hauser in Rottweil bietet Künstlerinnen und Künstlern aus Baden-Württemberg alle zwei Jahre Raum für konzentriertes, freies Arbeiten. Für acht Wochen stehen Arbeitsstipendium, Unterkunft und eine Werkstatthalle als Atelier bereit. Die Residenz ermöglicht Recherche, Experiment und künstlerische Vertiefung und schließt mit einer Ausstellung in der Werkstatthalle ab.

Das Residenzprogramm wird großzügig unterstützt von der SV SparkassenVersicherung

DAMALS WIE HEUTE. KONTINUITÄTEN DER GEWALT

Im Rahmen der Ausstellung „Geister und Werkzeuge“ von Eva Schmeckenbecher fand am 31. August 2025 in der Kunststiftung Erich Hauser die Veranstaltung „Damals wie heute. Kontinuität der Gewalt“ statt.

Cornelia Votteler, Rottweiler Autorin, zeigte am Beispiel der Hexenverfolgung, wie Angst, Macht und Ausgrenzung schon damals Gewalt ermöglichten. Renate Weiler vom Verein Frauen helfen Frauen + AUSWEGE e.V. machte deutlich, dass diese Strukturen auch heute noch bestehen – nur in neuer Form.

ÜBER DEN VEREIN Frauen helfen Frauen + AUSWEGE e.V.

Der Verein Frauen helfen Frauen + AUSWEGE e.V. wurde 1991 gegründet und bietet im Landkreis Rottweil kostenfreie, vertrauliche Beratung und Unterstützung für Frauen in Situationen häuslicher bzw. sexualisierter Gewalt und für  Kinder und Jugendliche und deren Bezugspersonen  bei sexuellen Grenzenverletzungen und  bei sexuellem Missbrauch.

Getragen von einem ehrenamtlichen Vorstand und fachlich qualifizierten Beraterinnen führt der Verein jährlich zahlreiche Gespräche – 2024 waren es über 500. Neben der Beratung liegt ein Schwerpunkt auf Prävention und Öffentlichkeitsarbeit: In Projekten an Schulen, Elternabenden und Fachschulungen werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene gestärkt, Grenzen zu setzen und Hilfe zu suchen. Ziel ist es, Gewalt sichtbar zu machen, Betroffene zu schützen und gesellschaftliche Veränderung zu fördern.

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