„Reden über Kunst“: Von der Macht der Kunst – Strategien zur Unsterblichkeit

Am Status des Unsterblichseins des Künstlers arbeiten viele mit: Künstlerwitwen und Museums-kuratoren, Kunstjournalisten, Galeristen und Sammler und nicht zuletzt zu Lebzeiten auch der Künstler selbst, zum Beispiel durch die Gründung eines Museums oder einer Stiftung.  

Das Symposium „Von der Macht der Kunst – Strategien zur Unsterblichkeit“, das am 4. und 5. November 2011 in der Kunststiftung Hauser in Rottweil stattfindet, kreist um den Mythos des (abwesenden) Künstlers. In Referaten und Diskussionsrunden sollen Fragen und Themenbereiche reflektiert werden, die von der Unsterblichkeitsidee im europäischen Künstlerkult, über das Künstlersein als bewusste (Selbst-)Inszenierung bis zu Methoden der Nachlassverwaltung, der posthumen Rekonstruktion und Präsentation von Kunstwerken sowie der Erhaltung digitaler Medienkunstwerke für die Nachwelt reichen.

Welche Herausforderungen stellt der Tod des Künstlers an Galeristen, Kuratoren und Sammler? Florian Berktold, Direktor der Galerie Hauser & Wirth in Zürich legt in seinem Vortrag den Fokus auf Überlegungen zur „Rekonstruktion von Kunstwerken als Relikt und Reliquie oder Neuinter-pretation“ und thematisiert das Problem des abwesenden Künstlerwillens und -blicks. In diesem Zusammenhang stellt Dr. Susanne Gaensheimer, Kommissarin des deutschen Pavillons auf der 54. Biennale von Venedig, ihren Erfahrungsbericht über die Gestaltung des deutschen Pavillons mit Werken des 2010 verstorbenen Regisseurs und Aktionskünstlers Christoph Schlingensief vor. Fragen zur Wiederherstellung und Neuinterpretation bzw. Neubewertung thematisiert auch die Berliner Künstlerin Nairy Baghramian, die 2008 im Rahmen der fünften Berlin Biennale das Werk von Janette Laverrière, Altmeisterin der französischen Innenarchitektur (1909-2011), in den Kunstkontext einführte.  

Zur Frage „Wie lange hält der Atem des Künstlers“ nehmen der Künstler Prof. Timm Ulrichs und die Journalistin Susanne Kippenberger Stellung. Timm Ulrichs, der schon vor Jahrzehnten in einer Grabinschrift den Kunstbetrachter dazu aufrief: „Denken Sie daran, mich zu vergessen!“, spricht in seinem Beitrag über vergangene und zukünftige Unsterblichkeitsstrategien. „Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden“: Mit diesem Satz persiflierte der 1997 verstorbene Künstler Martin Kippenberger den Typus des leidenden, unverstandenen, genialen Künstlers sowie die mit diesem Künstlerbild einhergehenden Marketingstrategien. Dieses Statement aufgreifend beschreibt Susanne Kippenberger, Autorin des Buches ‚Kippenberger. Der Künstler und seine Familien‘, teils aus sehr persönlicher Sicht die künstlerische Auseinandersetzung ihres Bruders mit dem Thema Tod und Unsterblichkeit sowie dessen posthume Wiederentdeckung bzw. Vereinnahmung durch den Kunstbetrieb.

Die Kunstwissenschaftlerin PD Dr. Ruth Wöbkemeier erörtert in ihrem Vortrag „Die andere Seite – Vom Verschwinden und Wiederauftauchen in der Moderne“, wie in der Schwellenzeit um 1900 sich verändernde Erinnerungs- und Gedächtnismodelle mit dem allgemeinen Wandel von Körper-, Raum- und Zeitgefühl zusammenhängen – und zwar mit Blick auf eine sich verschiebende Kultur des Todes. Dabei meint „Die andere Seite“ nicht nur das Jenseits sondern auch Mythenbildungen und Remythisierungen als Strategien des Kunstbetriebs.  

Wie lange leben digitale Kunstwerke? Anhand von ausgewählten Beispielen setzt sich Prof. Dr. Hans Dieter Huber nicht nur mit Fragen einer sachgerechten Lagerung, Archivierung und Dokumentation auseinander, sondern auch mit der Funktion von originalen und authentischen Bestandteilen für die ästhetische Erfahrung eines Werkes sowie Strategien und ethischen Maximen für die Langzeiterhaltung des digitalen kulturellen Erbes.  

Im Rahmen des Begleitprogramms werden Videofilme von Philippe Grammaticopoulos, Franziska Megert, Björn Melhus & Yves Netzhammer gezeigt.

Eingeladene ReferentenInnen:

  • Nairy Baghramian, Künstlerin, Berlin
  • Florian Berktold, Direktor der Galerie Hauser und Wirth, Zürich
  • Dr. Susanne Gaensheimer, Direktorin Museum Moderne Kunst, Frankfurt am Main
  • Prof. Dr. Hans Dieter Huber, Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
  • Susanne Kippenberger, Journalistin, Berlin
  • Prof. Timm Ulrichs, Künstler, Hannover
  • PD Dr. Ruth Wöbkemeier, Universität Bremen